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- Von tschechoslowakischen Höhen und Tiefen
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- Über idyllische Plattitüden und endloses Grün
- Über das januszipfelige Istrien
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (2) von Adige bis Theodor Mommsen
- Reisen nach Zahlen – 100 Tage
- Von einer die auszog das Fürchten zu verlernen
- Der italienischen Reise erster Teil
- Die besten Gerichte von draussen
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (3) von Basilikata bis Wildschwein
- Der italienischen Reise zweiter Teil
- Der italienische Reise dritter Teil
- Einblicke ins Reisetagebuch
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (4) – Von Ätna bis Zitrusfrüchte
- Reisen nach Zahlen – Tag 200
- Währenddessen in Afrika
- Così fan i tunisini
- Eisenbahnfahren in Tunesien
- Von Menschenhaufen und anderen Platzhengsten
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (5) von Agave bis Tuareg
- Tunesien – auf der Suche nach der Pointe
- Reisen nach Zahlen – Tag 300
- Sardinien – der italienischen Reise letzter Teil?
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (6) von Asinara bis Tafone
- Kleine, feine Unterschiede
- Im Autokorsika über die Insel
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- Fahrradfahren (u.v.m.) wie Gott in Frankreich – erste Eindrücke
- Jahrein, jahraus, jahrum
- Ausrüstung für Langzeitreisende – ein paar grundlegende Gedanken
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- Reisen nach Zahlen – 500 Tage
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- Reisen nach Zahlen – 600 Tage
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- 852 Tage – Doppelt hält besser
Es war einer dieser drückend heißen Tage auf dem Jakobsweg als wir den kleinen Ort Hospital de Orbigo erreichten. Doch bevor wir in die, uns mittagsmüde entgegengähnende Stadt einritten, mussten wir noch über eine ewig lange Brücke holpern. Eine Infotafel auf halber Strecke ließ sich in, für Infotafeln üblicher Weise, ausschweifend über ihren Standort aus und ließ dabei auch das Stichwort Don Quijote fallen. Da ich für das Geschwisterprojekt „Pro Land ein Buch“ nun schon seit Wochen gefangen und angetan von DEM Klassiker der spanischen Literatur bin, wurde ich hellhörig und ließ mich ein auf die Legende, welche mit dieser Brücke verknüpft ist. Im Heiligen Jahr (->) 1434 fand zwischen dem 10. Juli und dem 9. August ein Kampf statt, dessen erbarmungslose Dämlichkeit einen gewissen Miguel de Cervantes zu seinem epochalen Meisterwerk inspirierte. Was genau geschah hier nun? Wie immer gibt es für die Vorkommnisse, dessen Protagonist ein gewisser Don Suero de Quiñones war, mehrere Überlieferungen. Die Version, die uns jene geschwätzige Infotafel verkaufen wollte, lautete folgendermaßen: Ein Ritter erbat sich beim König die Erlaubnis sich an dieser Brücke mit 9 weiteren Kumpanen aufzustellen und jeden der hinüberwollte, herauszufordern. Sein Ziel war es, 300 Lanzen zu brechen, welches er ganz im Stil des Schwarzen Ritters, im unübertrefflichen Film „Die Ritter der Kokosnuss“, nach 166 Raufereien als Unentschieden wertete und abbrach. Ach, einen Grund für solch einen Schwachsinn gab es natürlich auch. Warum sollte man sich wohl pöbelnd in die Pampa stellen und mit jedem Menschen Streit anfangen? Ganz klar – aus Liebe zu einer „gewissen Dame“ selbstverständlich. Das ist soweit so bescheuert, dass man sich händeringend nach anderen Erklärungen umschaut und siehe, es gibt auch die Theorie, dass es eine reine Machtdemonstration der Familie Quiñones gewesen war, quasi ein Wink mit dem Zaunpfahl Richtung aufkeimende Zentralisierungsbemühungen oder angrenzende Konkurrenten im Machtpoker. Eine weiteres pikantes Szenario erklärt den Vorfall so, dass Quinones zuvor verurteilt wurden sei und sich die Kaution durch diese Art von Wegelagerei beschaffen wollte. Da wallfahrende Ritter meist nur mit leichter Bewaffnung unterwegs waren, erschien das Risiko für den angeblich schwerverliebten Quiñones und seine Kumpane kalkulierbar.
Die vor wenigen Zeilen erwähnten Heiligen Jahre haben hoffentlich nicht alle Leser einfach so hingenommen. Heilige Jahre – was ist denn das nun schon wieder? Eine kurze Recherche ergab, dass diese Jahre auf jeden Fall die Knallerjahre für Pilger zu sein scheinen, da man in diesem Jahren, bei Erfüllung der aktuellen Wallfahrerkonditionen sämtliche Sünden en bloc erlassen bekommt. Das ist natürlich ein Supersonderangebot, aber wie kam es dazu und vor allem, wann waren und werden sie sein? Diese sogenannten Jubeljahre (annus iubilaeus), welches seine Wortherkunft übrigens vom hebräischen jobel bezieht, was ursprünglich widderum Wieder bedeutet (oder umgekehrt) und außerdem für die Redewendung „alle Jubeljahre“ verantwortlich ist, gab es natürlich, wie alle in Granit gemeißelten Rituale von Religionen nicht schon seit immer. Erst im Jahr 1300 gewährte Bonifatius VIII. ein solches Jahr für alle Pilger, die es bis nach Rom schafften. Eigentlich sollte das nächste Jubeljahr erst in hundert Jahren wieder stattfinden, aber nunja, was soll der Geiz! Erst reduzierte man auf einen 50-Jahres-Rhythmus und dann, ging man wegen des großen Erfolgs auf 33 Jahre runter (die irdische lebenszeit Jesu) um schließlich im Jahre 1475 bei 25 Jahren abzubremsen. Clevere Rechenfüchse haben es blitzschnell durchschaut: Es ist Zeit zu sündigen, dem Himmel kündigen, denn schon bald dräut der nächste Generalerlass heran. Doch es wäre nicht mein guter, alter Hintertürchen-Katholizismus wenn da nicht noch was gehen würde. Selbstverständlich ist die Gewinnmarge bei einem Vierteljahrhundertsturnus doch zu erbärmlich, daher gelten auf dem Jakobsweg andere Heilige Jahre. Diese Bonusjahre finden immer statt wenn der Jakobstatg (25. Juli) auf einen Sonntag fällt, also alle sechs, fünf, sechs und elf Jahre. Das nächste Heilige Jakobsjahr könnt ihr euch also wahrscheinlich ebenso flink ausrechnen.
Leere Straßen und verschlossene Geschäfte, die Mittagszeit ist jedoch in weiter Ferne?! Das musste dann wohl ein unerwarteter Feiertag sein. In der Tat wurden wir am 12. Oktober in Spanien mittelschwer überrascht. Dementsprechend interessiert stürzten wir uns in die Nachforschungen um herauszufinden, weshalb die Spanier beschlossen hatten, sich im Anschluss an all die aufreibenden Fiestas und Siestas noch einen nationalen Feiertag zu gönnen. Der Anlass war schnell herausgefunden: Es ging um nichts Geringeres als die Entdeckung Amerikas. An diesem, auch Día de la Hispanidad (früher auch Día de la Raza) genannten Feiertag soll an die gemeinsamen Wurzeln der spanischsprachigen Welt erinnert werden. So ausgrenzend wie anmaßend dieser Grund zum Feiern auch daherkommen mag, in dieser Hinsicht gibt es weltweit ja so einige grenzwertige Beispiele. Wir waren also eher mittelmäßig begeistert von dem neu entdeckten Wissen. Doch als wir begriffen, dass wir damit nur die erste Schicht dieses Feiertags freigelegt hatten, kam wieder Schwung in die Sache. Es wurde nämlich noch viel wilder. Wir müssen über Frauen reden, und zwar über liebe Frauen, genauer: über liebe Frauen auf einem Pfeiler. Sehr, sehr, sehr aufmerksame Leser dieses kleinen Wissensboosters erinnern sich vielleicht noch an meine ernüchternden Erkenntnisse zu den „historischen“ Grundlagen des Jakobswegs in „Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (9) von El Cid bis Wanderdüne“. Es wurde hier kurz eine abstruse Theorie vorgestellt, nachdem der resignierte Jakob irgendwo bei Saragossa von einer Marienerscheinung wieder aufgebaut wurde und derart frisch indoktriniert seine Mission wieder aufnahm. Schon damals nagte bei aller Absurdität der Geschichte als solcher an mir ein leichter Zweifel? Maria erschien dem Jünger Jakobus? Ja, war sie denn überhaupt schon tot? Stellt sich raus, nein, und muss sie ja auch nicht. Prinzessin Lea muss ja auch nicht verstorben sein um ihren Freunden in Star Wars zu erscheinen. Doch wir würden uns nicht in der abgedrehten Fantasylogik der Katholen befinden, wenn das ganze nicht wunderhübsch „theoretisch“ verbrämt und aufgebläht werden würde. Es gibt da nämlich die anerkannte Hilfsdisziplin der Mariologie, dank deren engagierten Forschungen wir fürderhin wissen, dass Maria am 2. Januar 40 n.Chr. dem Apostel Jakobus dem Älteren auf einer, Achtung, Säule erschien. Diese Marienerscheinung ist tatsächlich deshalb so besonders, weil sie die einzige Erscheinung war, die noch zu irdischen Lebzeiten von Maria stattfand. Irre spektakulä, in der Tat. Ja, und diese Säulenheilige feiern sie dann also auch ab am 12. Oktober. Wenn ihr mich fragt, nur geringfügig akzeptabler als sich für etwas abzufeiern, was stillschweigend den Völkermord an Millionen Ureinwohnern einschließt. Aber wirklich nur hauchdünn.
Und damit beenden wir die Märchenstunde fürs Erste. Kommen wir zu etwas Realem, kommen wir zur Landwirtschaft. Spätestens als wir die verdorrten Ebenen Kastiliens verließen und in die üppige Vegetation Galiziens eintauchten, sahen wir plötzlich wieder auf vielen Höfen die vertrauten Vorrichtungen zum Trocknen und Speichern von Feldfrüchten. Uns waren diese Speicherbauten aus Ostmitteleuropa wohlbekannt, doch hier zweifelten wir anfangs ein wenig ob es sich wirklich um das Vermutete handelte. Denn diese waren oftmals derartig religiös verziert und befanden sich bisweilen auch in der Nähe von Friedhöfen, dass wir kurzzeitig andere, wilde Vermutungen hatten. Doch ein- bis zweimal nachgefragt, schon hatten wir Gewissheit: Die hierzulande Hórreos (horreum: lat. Scheune) genannten Bauten sind zwar heute kaum noch in Gebrauch, werden aber in ihrer Funktion als historische Bauten weiterhin gehegt und gepflegt.
Kommen wir zu der beliebten Kategorie der ungelösten Fragen, quasi der Wissenssplitter, die man sich eingezogen und nicht geschafft hat, herauszubekommen. In diesem Fall handelt es sich um ein Denkmal auf welches ich in der galizischen Kleinstadt Pontevedra stieß. Es ist dem Lokalpolitiker Alexandre Boveda gewidmet. Ein kurzes Überprüfen seiner Personalie offenbarte, dass es sich um einen sehr engagierten Lokalpolitiker handelte. Manche würden in seinem Falle wohl sogar von einem Separatisten sprechen. Schließlich galt er in den 20ern und 30ern des letzten Jahrhunderts als Schlüsselfigur des galizischen Nationalismus. Er bekleidete eine wichtige Rolle in der Partido Galeguista und war demzufolge ein erbitterter Gegner Francos und eines seiner ersten Opfer (bereits im August 1936 wurde er von den Putschisten hingerichtet). Denn auch die verschiedenen Nationalisten Spaniens waren dem kleinen Diktator in spe ein Dorn im Auge, da alles was nicht in seine kleine kastilisch-katholische Welt passte, ausgemerzt gehörte. Aber wo ich so drüber schreibe, fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Die Letter PG auf dem Denkmal stehen unmissverständlich für seine Bewegung, die Partido Galeguista, während die weiteren Symbole, Stern mit Banderole nebst Sichel zweifelsohne für die sozialistische, bauernfreundliche Ausrichtung der Partei stehen wird. Wäre das also auch geklärt. Manchmal muss man Sachen einfach nur laut ausschreiben.
Nicht nur Frankreich stattet sein nationales Maskottchen-Arsenal mit einem Hahn aus, auch das kleine Portugal hat einen Gockel im Assoziationssortiment. Und zwar hört dieser bunte Vogel, den wohl selbst der oberflächlichste Kurzurlauber kennenlernen dürfte, auf den wohlklingenden Namen „Galo de Barcelos“. Wie aber kam Portugal auf den Hahn? Wie jedes gute Souvenir geht auch dieses auf einen solide Begebenheit in der guten, alten Zeit zurück. Es begab sich also damals, dass ein Pilger durch das kleine Städtchen Barcelos zog und flugs des Diebstahls bezichtigt und noch flugser sofort zum Tode verurteilt wurde. Verständlicherweise bat er um ein Gespräch mit dem Richter und traf diesen natürlich beim Essen an (da stellt sich natürlich schon die Frage, wrr ihn denn zum Tode verurteilt hatte, der gesunde Volkswille vielleicht?). Er beschwor seine Unschuld bei dem gebratenen Hahn, den der Richter eben verspeisen wollte. „So wahr ich unschuldig bin, wird dieser Hahn krähen wenn ich gehängt werde.“ Natürlich geht die Sache so aus wie man sich denken kann und schon wenige Jahrhunderte später ist der „Galo de Barcelos“ nicht mehr wegzudenken aus dem touristischen Devotionaliendepot. Soweit, so unspektakulär. Doch mich erinnerte die Geschichte an eine der größten, touristischen Niederlagen meinerseits auf dieser Reise. Die Rede ist von der Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada. Vor dieser Kathedrale mitten auf dem Jakobsweg brotzeiteten wir in aller Ruhe und während wir so selbstvergessen vor uns hin mümmelten, fand hinter unserem Rücken das Hühnerwunder statt. Ahnungslos wie wir waren, gingen wir nicht hinein um uns die lebenden Hühner, die hier tatsächlich im heiligen Hühnerstall ausgestellt waren, zu besichtigen und verpassten damit die bizarrste Religionsstilblüte, dieses an absurden Überresten abergläubischer Spinnereien nicht gerade spärlich ausgestatteten Reiseroute. Auffällig ist hier aber, dass sich die Geschichten wirklich wie ein Ei dem andern ähneln. Es ist exakt die gleiche Geschichte. Nur mit dem Unterschied, dass man sich in Santo Domingo nicht die Souvenirgeschäfte mit bunt bemalten Keramikhähnen vollstopft sondern die Kathedrale mit lebenden Federvieh dekoriert.
Der Erdbeerbaum (Arbutus unedus), ein Gewächs, welches ich bis vor einem Jahr noch nicht einmal kannte, sollte zum Ende dieses Reisejahrs eine bedeutende Rolle für uns spielen. Fast den gesamten November arbeiteten wir auf einer Farm im Alentejo, wo wir jeden Tag durch die Büsche streiften um diese winzigen, matschigen Früchte zu pflücken. Diese Baumerdbeeren, bzw. Medronhos, welche dieses immergrüne Gehölz neben den Blüten von Oktober bis Januar schmücken, sind essbar. Doch schon der römische Gelehrte Plinius der Ältere schrieb in Bezug auf die roten Kugeln mit der warzigen Oberfläche: „unum tantum edo“ – Ich esse nur eine. Verkürzt als „unedo“ findet sich dieser Ausspruch bis heute in der wissenschaftlichen Artbezeichnung wieder. Ein altes Botanik-Lehrbuch (Bischoff et al., 1840) beschreibt die Qualität der Früchte sogar noch ein wenig vernichtender: „Die Beeren, welche erst beinahe nach einem Jahre reifen, haben ein sehr einladendes Ansehen, aber einen fade- und widerlich-süßen Geschmack. Sie werden im Morgenlande häufig (jedoch meist nur von der ärmeren Volksklasse) gegessen.“ Ganz so schlimm ist es natürlich nicht, aber ich kann sagen, dass ich mich nach unserem Abschied hier, keineswegs nach deren Geschmack verzehren werde. Tatsächlich handelt es sich hier auch keinesfalls um „superfood“. Außer Wasser, Zucker und Vitamin C enthalten die Beeren nichts von Belang. Wichtig zu wissen im Umgang mit den Früchten wäre höchstens noch, dass sie recht stark harntreibend sind und reichlicher Genuss, speziell der überreifen Beeren schon mal zu Kopfschmerzen führen kann, da diese dann nicht unbedeutend Alkohol gebildet haben. Fazit: Das nächste Mal dann doch lieber wieder Oliven.
Widmen wir uns zum Abschluss noch etwas ganz Besonderem, einer unübersetzbaren, nur in den Ländern der Lusophonie verbreiteten Emotion: Saudade. Unübersetzbar ist hier wahrlich nicht übertrieben. Die Wikipedia mändert und windet sich mit folgender schwammiger Beschreibung: „Das Wort steht für das nostalgische Gefühl, etwas Geliebtes verloren zu haben, und drückt oft das Unglück und das unterdrückte Wissen aus, die Sehnsucht nach dem Verlorenen niemals stillen zu können, da es wohl nicht wiederkehren wird“. Da zuckt in mir unwillkürlich ein Reflex, der Saudade irgendwie in Verbindung zu Fado bringen möchte und im gleichen Moment bei selbigen Versuch glorreich scheitert. Und schon könnte ich mich hineinstürzen in das Gefühl, das Verlorene niemals stillen zu können, aber dazu bin ich dann doch zu wenig lusophon. Auch irgendwie traurig, nahezu saudadig, ist, dass in der Wikipedia erwähnt wird, Saudade wäre bei einer Wahl zum sechstschönsten Wort der Welt gewählt wurden. Doch leider, leider führt der Link zu dieser Wahl im verlorenen Nichts der digitalen Sprachlosigkeit.