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- Von tschechoslowakischen Höhen und Tiefen
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- Die besten Gerichte von draussen
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- 852 Tage – Doppelt hält besser
Zehn Länder, 7350km und stolze 23 UNESCO-Weltkulturerben – das sind die aufreizenden Eckdaten eines der verführerischsten Fernradwege dieses Planeten. Natürlich ist er nicht überall gleichermaßen gut ausgebaut und markiert, außerdem es gibt auch ein paar eher dunklere Kapitel auf der Strecke. Daher möchte ich im folgenden unsere Erfahrungen mit diesem Radweg teilen um künftigen Radnomaden einiges an Leid und Kummer zu ersparen und die Vorfreude auf das Künftige zu steigern. Dies betrifft aber bei Weitem nicht den gesamten Streckenverlauf. Der Schwerpunkt meiner Beschreibungen liegt auf den französischen und italienischen Etappen sowie ein paar kurze Bemerkungen zu Slowenien, Istrien, Albanien und Griechenland. Dabei darf hier auch keine penible Routentreue erwartet werden. Wir erachten die EuroVelo-Routen stets nur als grobe Empfehlung und nehmen uns gerne die Freiheit gegebenenfalls für Abkürzungen oder Sehenswürdigkeiten von der Strecke abzuweichen.
Tour de France – von Sète nach Menton
Wir stiegen in Sète ein und fuhren ostwärts. Nicht nur aufgrund der Entbehrungen von zwei Monaten Radfahren in Marokko waren wir nahezu geblendet von den prächtigen Radwegen auf denen wir hier durch die blühenden Landschaften, links die Lagune, rechts das türkis schimmernde Mittelmeer geleitet wurden. Doch leider ging es in diesem Stil nur einen guten Tag weiter, denn der Velo zweigte schon bald ab und das aus gutem Grund. Denn die mäanderne Küstenlandschaft, in die sich die Mittelmeerküste von hier bis Marseille verwandelt, hat die Routenplaner wohl zurecht davon abgehalten, stur der Küstenlinie zu folgen. Insbesondere wenn man im Hinterland solch entzückende Landschaften wie die Provence im Angebot hat, welche zudem mit den Kronjuwelen Südfrankreichs (Montpellier, Nimes, Avignon) garniert sind. Dementsprechend musste man uns nicht lange überzeugen, schon nach so kurzer Zeit abzubiegen. Wir gingen sogar noch einen Schritt weiter denn der Velo umfährt besagte Kronjuwelen südlich, wir wollten aber nicht auf diese Sahnehäubchen verzichten und bestaunten in den nächsten Tagen all die selbstverständliche Schönheit und den lässigen Flair dieser uralten Städte des Südens.
Erst nach Avignon kehrten wir wieder auf die Stammstrecke zurück und radelten glückselig auf lupenreinen Radwegen durch die langsam welliger werdende Landschaft, deren Vegetation an Üppigkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Erst hinter Forcalquier trafen wir auf den ersten düsteren Abschnitt des, bis jetzt vorbildlichen Radwegs. Ab hier schlägt der Velo unerbittlich vor, auf einer vielbefahrenen Straße zu fahren. Und wenn an dieser Stelle Frankreich unaufhörlich über den trèfle vert gelobt wird, sobald man die vorzüglichen Radwege verlässt, befindet man sich in einem tosenden, infernalisch stinkenden Armargeddon des motorisierten Individual- und Güterverkehrs. Schaut man genauer auf die ausgewiesene Streckenführung des Velos erblickt man eben genau hier auch eine klaffende Lücke. Angeblich beginnt erst ab Meyrargues wohl wieder so etwas was einem Radweg gleichen soll.
Bitte beachten Sie, dass der Abschnitt zwischen Manosque und Meyrargues derzeit nicht ausgebaut ist. In der Zwischenzeit empfehlen wir Ihnen, diesen Abschnitt mit dem Zug zurückzulegen, der täglich zahlreiche Verbindungen anbietet. Gehen Sie auf die website ZOU und erstellen Sie ein Konto, um Ihre Fahrkarte zu kaufen. Sie können Ihre Fahrkarte auch direkt an den Bahnhöfen kaufen. Ihr Fahrrad fährt auf dieser Reise kostenlos mit!
offizielle Internetpräsenz des EuroVelo 8
Doch wir überprüften dies nicht, denn wir zweigten schon vorher von diesem Individualverkehrswahnsinn ab und fuhren auf ruhigen Landstraßen zum legendären Grand Canyon du Verdon. Einen Abstecher, der unbedingt empfohlen sei, allein aufgrund des spektakulär in die Felsen geschmiegten Bergdorfs Moustiers-Saint-Marie. Völlig überrascht von dieser Erscheinung starrten wir lange auf diesen Theatervorhang in den Felsen und lustwandelten mit offenen Mündern durch das kleine Dörfchen, welches, wie wir später herrausfanden, zu den „schönsten Dörfern Frankreichs“ gehörte. Angesichts der hierzulande weitverbreiteten Duchschnittsschönheit gehörte schon einiges dazu in diese Liste aufgenommen zu werden.
Auf die offizielle Route trafen wir erst wieder bei Salernes. Hier hatte der Radweg wieder zu seiner früheren Form zurückgefunden und schlängelte sich auf wenig befahrenen Landstraßen gen Westen. Wir bogen früher ab zum Meer und bereuten es nicht. Zumindest zu Beginn. Die Panoramaroute (-> Corniche) von Saint-Raphaël bis Antibes ist zu spektakulär (und auch noch erstaunlich verkehrsarm) um sie auszulassen. Doch spätestens ab Cannes sollte man seine Nerven und Lungen schonen und den Zug nehmen. Die endlose Blechlawine, die sich durch die Côte d’Azur quält, gilt es zu meiden. Ein kurzentschlossener Sprung in die Bahn ließ unsere Lebensqualität wieder auf gewohntes Idealniveau ansteigen. Wir fuhren von kurz hinter Nice mit einem TER (Fahrradmitnahme inklusive) bis nach Menton kurz vor die italienische Grenze.
Giro d’Italia – von Ventemiglia nach Gorizia
Das Meer bleibt das Gleiche, die Küste strahlt weiterhin glückselig vor sich hin und die Luft duftet nach Kräutern – doch sie nennen es ab jetzt Italien. Tatsächlich ändert sich mit dieser Ländergrenze einiges am Niveau. Reine Radwege gibt es kaum noch, Markierungen sind eher spärlich verteilt und die nutzbare Infrastruktur an Camping- und Rastplätzen, Trinkwasser und Sanitäranlagen nimmt spürbar ab. Glücklicherweise zieht sich der Mittelmeer-Velo, der in diesem Land denkbar wenig mit dem Meer zu tun hat, quert er doch einmal Norditalien ohne die Küste nur einmal zu berühren, durch sehr dünn besiedeltes Gebiet, so dass man außer in der Nähe von Städten auf recht gering befahrenen Landstraßen vorwärtskommt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass der Routenabschnitt im Rojatal bei Ventimiglia noch nicht entwickelt ist. Die italienischen und französischen Partner der Region planen derzeit eine alternative Reiseroute. In der Zwischenzeit empfehlen wir Ihnen, diesen Abschnitt mit der Bahn zu überbrücken, die zwei Verbindungen pro Tag anbietet. Gehen Sie auf die Webseite von Trenitalia, wählen Sie „Erweiterte Suche“ (Sie müssen ein bisschen nach unten scrollen) und kaufen Sie zwei Tickets, eins für Sie und eins für das Fahrrad.
Nur kurz darf man sich am Mittelmeer erfreuen und durch das unbeschreiblich entzückende Ventemiglia lustwandeln, schon macht der Velo einen gewaltigen Haken und entführt einen in das trutzig-imperiale Cuneo im Piemont. Eine der seltsamsten Alpenüberquerungen, die ich jemals absolvierte. Dafür wird einem hierfür die legendäre Tendabahn empfohlen. Für etwas über €20 inklusive Fahrradmitnahme ein spektakuläres Unterfangen – eine lang gehegter ferrophiler Traum wurde Wirklichkeit.
Ab hier geht es dann mehr oder weniger dem Po folgend durch flache, müde Landschaften. Ein träger Mix aus Maisfeldern, Wiesen und Maisfeldern. Nur ab und an durch eine Wiese unterbrochen. Dabei bleibt es ein wilder Mix aus Holperwegen und Autoterrorstraßen. Où es-tu, France bien-aimée ? Où? Ich hatte schon in verschiedenen Artikeln auf das merkwürdige Missverhältnis von teilweise perfektesten Radwegen im Stadtgebiet und den Schlaglochpisten hinter der Stadtgrenze hingewiesen. Der „campanilismo“ ist für mich die eigentliche Ursache für diese merkwürdig zerklüfteten Radwege. Doch dieser absurden Abneigung gegenüber jeglicher Gegend außerhalb ihrer centri storici birgt auch ihre Vorteile. So stellen dieses riesige Gelände einen fantastischen Freiraum dar. Man hat weite Ebenen für sich, ob nun zum wildzelten, picknicken oder laut herumschreien.
Die erste tadellos ausgebaute Etappe befindet sich zwischen Cremona und Viadana . Hier zeigen sie erstmals was sie draufhaben und was möglich ist. Zu schade, dass solche Streckenabschnitte so selten sind.
Spätestens mit Pavia endet das dröge Einerlei von fader Kulturlandschaft und an Brandenburg gemahnende Backsteintwuchtomanie. Ab nun springt der Velo munter zwischen Lombardei und Emilia-Romagna hin und her und nimmt dabei die zauberhaftesten Städte mit: Piacenza, Cremona, Mantova, Vicenza, Padua – so geht es in rascher Folge von einem Schwergewicht zum nächsten Knaller. Wenn man einmal den Fehler gemacht hat sich im Vorfeld für eine der Städte mehr als nötig zu interessieren, bereut man es sofort, da man schockiert begreift, was man alles nicht schaffen wird, wieviel man verpasst. Es ist alles ein wenig zu viel auf einmal. Gern hätte man hier mal eine kurze Atempause, etwas dröge Kulturlandschaft ohne alles und gar nichts. Für Mantova verließen wir mal wieder die Stammstrecke des Velo und ich kann diesen Abstecher nur wärmstens empfehlen. Mantova krönt nochmals all das Exzellente was wir bisher serviert bekamen. Nicht nur wegen des ältesten botanischen Gartens der Welt.
Ab Venedig wird es dann nochmal richtig flach. Sobald man den Ballungsraum der Lagunenstadt verlassen hat, wird der Verkehr etwas verhaltener und man kommt ohne größere Attraktionen zur slowenischen Grenze bei Gorizia. Und hier endet dann die romanische Welt und der Balkan beginnt.
Das kleine bisschen Balkan
Ein paar Erfahrungen aus Slowenien und Istrien (2022) sowie Albanien und Griechenland (2019)
Fast zwei Jahre war es her, als wir hier, noch grün hinter den Schalthebeln erstmals herumradelten. Wir kreuzten quer durch Slowenien umkurvten ein wenig Istrien – es war einfach nur schön. Insgesamt befand sich der EuroVelo hier in beiden Ländern in halbwegs guten Zustand. Besonders gut in Erinnerung habe ich die traumhaft verschnörkelte Küste Istriens sowie den spektakulären Bahntrassenradweg „Parenzana“.
Der nach Istrien folgende Rest des Velos führt zwar durch ein wundervolles Stück Europa, kann jedoch in keinem Fall als Radweg bezeichnet werden. Doch mit derlei mitteleuropäischen Schnickschnack ist es ja nun sowieso vorbei. Ich empfehle die Hauptsaison im Sommer zu meiden, ansonsten hat man sich in die Hackordnung des Straßenverkehr einzugliedern und wird dafür mit ruhigen Landstraßen, außergewöhnlichen Ausblicken und bestialischen Aufstiegen belohnt. Unsere erste große Radreise, „Projekt RADria I.“ führte uns 2019 durch Bosnien, Montenegro, Albanien und Griechenland. Man möge sich diese etwas verstaubten Reiseaufzeichnungen bei Bedarf zu Gemüte führen. Der EuroVelo mag hier zwar nicht direkt im Fokus stehen, doch es gibt hier einige wichtige Beobachtungen zum freien Radfahren in diesen Ländern, die zur Vorbereitung durchaus zu empfehlen wären.
Weitere EuroVelos im Kurzportrait
Weiterführende Links
- offizielle Seite des EuroVelo 8
- Die schönsten Dörfer Frankreichs
- Regionalbahn Südfrankreich (Radersatzverkehr)
- TER – Regionalbahntickets für Frankreich
- Die schönsten Orte Italiens
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