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- Der italienischen Reise zweiter Teil
- Der italienische Reise dritter Teil
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Als wir uns mit schwungvollen Pedalentritten dem unweigerlichen Finale jenes schönsten aller bislang gefahrenen Radwege (ViaRhôna) näherten, reagierten wir nicht übermäßig erstaunt, als wir erfuhren, dass der See auf französisch nicht nach der größten Anrainerstadt genannt wird , sondern nach einem gewissen Herrn Léman. So vermutete ich zumindest. Wird wohl der Entdecker, Erstdurchschwimmer oder eine sonstige lokale Größe gewesen sein. Doch wie groß war meine Überraschung als die Recherche ergab, dass der gleichermaßen größte schweizer wie französische See seinen Namen von den alten Kelten übernommen hat. Schon Caesar erwähnte den „lacus lemanus“ und verwendete damit einen Pleonasmus. Denn die Bezeichnung lemanus bezieht sich auf die keltischen Worte lem und an (übersetzt: grosses Wasser, also See). Daher ist „lacus lemanus“ genauso wie Lac Léman doppeltgemoppelt. Bleiben wir also daher lieber bei Léman Genève.
Was hatte ich anfangs Respekt vor der französischen Sprache. In der Schule nicht gehabt und auch später nie einen ernsthaften Lernversuch unternommen, schlummerte das Französische elegant parlierend in einer schier unerreichbar scheinenden Gipfelhöhe des Herrschaftsbereichs meiner Plavaverländereien. Doch siehe nach wenigen Monaten Frankreich, in denen ich mich unbekümmert der großen Herausforderung stellte, bemerkte ich erstaunliche Fortschritte. Niemals werde ich in dieser Sprache über rudimentäre Plauderei hinauskommen, aber ich fühlte mich alles andere als verständnislos beim lesen und hören. Natürlich gibt es noch einige gewaltig Hürden wie zum Beispiel die Zahlen. Prinzipiell sollte man als deutscher Muttersprachler diesbezüglich eigentlich still sein,doch die absurde Rechnerei die hier ab der Zahl 60 zu wahren Wortungetümen führt, ließ mich empört aufkeuchen.
Der Hintergrund für dieses Malheur ist das Vigesimalsystem (Zwanzigersystem) welches als Basis nicht die Zehn sondern eben die 20 verwendet. Als Grund für die Entstehung vermutet man, dass die alten Kelten, welche dies sich wiederum bei den noch älteren Basken abschauten, nicht nur mit den Händen, sondern auch den Zehen zählten. Dies würde wiederum bedeuten, dass die Menschen damals größtenteils barfuß unterwegs waren. Große Teile der Asterix-Comics müssen anscheinend umgezeichnet werden. Übrigens, die französischsprachige Schweiz macht bei diesem Unsinn erfreulicherweise nicht mit.
Apropos Schweiz, als wir an einem unserer ersten Tage in der Schweiz einen kleinen Spaziergang um unser aktuelles Zuhause nah dem Genfersee (s. oben) und stolpern unversehens über diese stattlichen Panzersperren, die sich kilometerlang an dem Wanderweg entlang winden.
Später recherchiere ich und erfahre, dass diese Befestigungsanlage den überaus treffenden Titel Toblerone-Linie (Sentier des Toblerines) trägt. Entlang der Promenthouse, einem Zufluss des Genfersees, verlief im Zweiten Weltkrieg eine Befestigungslinie, um die Achse Genf-Lausanne zu verteidigen. Ganze 2700 von diesen Betonhöckern (die grossen je 9 Tonnen schwer) wuchteten die Schweizer 1940 in die Landschaft, bestückten 17 Bunker und verminten etliche Sprengobjekte. Bewaffnete Neutralität vom Kenner für Genießer!
In mäßigen Tempo von Genf nach Basel radelnd schaute ich mich gewohnheitsmäßig um auf xer Suche nach interessanten Wappen, Flaggen und sonstigen heraldischen Tand. Mein Blick blieb an den Kantonsflaggen hängen und ich verewigte alle durchfahrenen Kantone flugs in meinem Reisetagebuch.
Eine Sache ließ mich bei der Beschäftigung mit den hiesigen Wappenelementen kurz irritiert innehalten. Der Baselstab. Zahlreiche Ideen hatte ich beim Abzeichnen, was ich da wohl malte, aber an so etwas langweiliges wie einen Bischofsstab hatte ich nicht gedacht. Und damit war ich offensichtlich nicht allein, denn die Koryphäe in Sachen Wappenästhetik, ein gewisser Alfred Grenser, urteilte bereits 1866, dass es „einer gestürzten Glockenblume weit ähnlicher […] als dem Herrschstab des Bischofs von Basel“ sei.
Nachdem wir uns erfolgreich durch die Schweiz gestrampelt hatten, begann mit dem Rhein-Rhône-Kanal endlich wieder ein Radweg, welcher ein Gewässer begleitete und damit in Sachen Höhenunterschiede weitgehend harmlos war. Natürlich gab es auch hier Höhenunterschiede, doch diese waren stetig und eindeutig verschmerzbar. Verstörend war allein der Umstand, dass wir vom Rhein kommend, aufwärts fuhren und es ab Montreux-Vieux wieder abwärts ging. Des Rätsels Lösung: Es handelte sich um einen Wasserscheidenkanal!
Wasserscheidenkanäle haben es so an sich in auf- und absteigenden Stufen eine Wasserscheide zwischen zwei Gewässern zu überwinden. Das ist natürlich nicht ganz so einfach und ich zog meinen Hut vor dieser ingenieurtechnischen Leistung, speziell als ich dann noch die Bauzeit und das Fertigstellungsdatum erfuhr: 1784-1833. Neben der Herausforderung, geeignete Geländeabschnitte für die Stauhaltungen auszuwählen, muss in der Regel auch die Wasserversorgung gesichert werden. Das erfordert in vielen Fällen, in der Nachbarschaft ein Netz von Wasserläufen und Wasserreservoirs zu schaffen, um den Wasserverlust durch Schleusung auszugleichen. Dementsprechend sieht es dann auch aus. Man durchfährt ein Netz an Kanälen, Teichen und Gräben – ein undurchschaubares Bewässerungskuddelmuddel was aber seit fast zwei Jahrhunderten problemlos vor sich hin plätschert.
Wer mit offenen Augen die Loire besucht, kommt an Jeanne d’Arc nicht vorbei. Denkmäler, Kirchen, Parkplätze und natürlich jede Menge Souvenire werden mit ihrem Namen geschmückt. Die Geschichte dieser jungen Frau erweckt in mir teils ein gewisses Unbehagen. Sämtliche Figuren der Geschichte, die in der Zeit soweit zurückliegen, sind einer Legenden- und Mythenbildung unterworfen, die die reale Person fast vollständig überdeckt.
Was man aber umso deutlicher erkennt, ist wozu sie genutzt, bzw. missbraucht wird. Die tatsächlichen Vorgänge um Jeanne d’Arc erwecken in mir keinesfalls positive Gefühle, eher den mulmigen Verdacht, dass hier ein, wie auch immer fehlgeleitetes Mädchen skrupellos für eiskalte Machtpolitik verheizt wurde. So bleibt mir nur noch eine Frage: 1909 wurde Johanna von Papst Pius X. seliggesprochen und am 16. Mai 1920 von Benedikt XV. heiliggesprochen. Sie ist selbstverständlich die Schutzpatronin von Frankreich, muss sich diese Verantwortung allerdings mit Dionysius, Martin, Ludwig und Therese von Lisieux teilen. Klar, dass so ein riesiges Land mehr als einen Schutzpatron braucht. Welche bizarre Argumentation aber liegt der Ernennung zur Schutzpatronin der Telegrafie und des Rundfunks zugrunde?
In Angers, der charmanten Loire-Perle kurz vor dem Atlantik scheint man schon seit längerem ein Faible für Düsteres gehabt zu haben. Nicht nur der weltweit bekannte Wandteppich der Apokalypse kündet hiervon, nein auch die gesamte Burganlage: dunkel, massiv, bedrückend. Gebaut um Mongolen, Sarazenen und Wikinger gleichzeitig die Stirn zu bieten. Doch auch in der Kathedrale von Angers finden sich zwei Fensterrosen, die sich mit dem angesagten Thema der damaligen Saison beschäftigen – der Apokalypse. Und was sich mir als interessierten Apokalyptiker da an der Nordrosette offenbarte war mehr als interessant. Bislang waren mir nur die sieben Plagen, welche den Weltuntergang ankündigten, ein Begriff. Von den 15 Anzeichen für die Apokalypse hatte ich noch nie etwas gehört. Umso neugieriger studierte ich sie um herauszufinden ob eventuell etwas Inspirierendes dabei wäre. Aber letztendlich kann man sagen, dass hier nur die bekannten Plagen etwas ausführlicher illustriert und hervorgehoben wurden. Trotzdem sehr hübsch das Ganze. Sehr gerne hätte ich mich an dieser Stelle auch über die Geheimnisse der Glasmalerei ausgelassen, doch die Sache, die ein Führer in eben jener Kathedrale erklärte, dass man anfangs nur blau und rot konnte, hellere Farben erst später hinzukamen, konnte ich leider nirgends bestätigt finden und verweise dies daher ins Reich der Reiseführerschnurren.