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- Von tschechoslowakischen Höhen und Tiefen
- Diashow, die erste: Von Heidesee bis fast zum Triglav
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (1) von Altungarisch bis Walachei
- Über idyllische Plattitüden und endloses Grün
- Über das januszipfelige Istrien
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (2) von Adige bis Theodor Mommsen
- Reisen nach Zahlen – 100 Tage
- Von einer die auszog das Fürchten zu verlernen
- Der italienischen Reise erster Teil
- Die besten Gerichte von draussen
- Wissenssplitter aus dem Reisesteinbruch (3) von Basilikata bis Wildschwein
- Der italienischen Reise zweiter Teil
- Der italienische Reise dritter Teil
- Einblicke ins Reisetagebuch
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- Reisen nach Zahlen – Tag 200
- Währenddessen in Afrika
- Così fan i tunisini
- Eisenbahnfahren in Tunesien
- Von Menschenhaufen und anderen Platzhengsten
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- Tunesien – auf der Suche nach der Pointe
- Reisen nach Zahlen – Tag 300
- Sardinien – der italienischen Reise letzter Teil?
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- Kleine, feine Unterschiede
- Im Autokorsika über die Insel
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- Fahrradfahren (u.v.m.) wie Gott in Frankreich – erste Eindrücke
- Jahrein, jahraus, jahrum
- Ausrüstung für Langzeitreisende – ein paar grundlegende Gedanken
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- Querfeldein und mittendurch – Frankreich vom Rhein bis zum Atlantik
- Wissensstrandkörner aus dem Reisewatt – Gezeiten-Sonderausgabe
- Ratgeber: Radfahren auf dem EuroVelo 6 (Frankreich)
- Projekt-Radria-Gleiche (Tag 426)
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- Reisen nach Zahlen – 500 Tage
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- 852 Tage – Doppelt hält besser
Überall im frankophonen Raum stieß ich auf folgendes rätselhafte Wort: „Corniche“. Ganz vorsichtig kombinierte ich aus der Beobachtung, dieses Wörtchen nur in unmittelbarer Meeresnähe angefunden zu haben, dass es wohl in irgendeiner Weise einen maritimen Bezug haben müsse. Und tatsächlich, eine kurze Recherche führte zu dem Ergebnis, dass es sich hier ursprünglich um das französische Wort für Gesims handele. Diese, eher profane Bedeutung hat es aber längst hinter sich gelassen und steht mittlerweile für Küsten-, Ufer- oder Klippenstraßen, meist mit besonderem Panorama. Manchmal ist es auch eine der Hauptgeschäftsstraßen der Stadt oder eine Promenade für Spaziergänge. Und so befindet sich das berühmteste Vorbild für fast alle Corniches an der französischen Riviera: Die Corniche Inférieure, auch Corniche du Littoral genannt, führt von Menton bis Nizza durch zahlreiche Orte direkt an der Küste entlang. Und ist wirklich wunderwunderschön wenn man sich all die Autos wegträumt (s. demnächst: Radfahren auf dem Eurovelo 8)
Okzitanien. Das klingt nach Drachen, Schwertkämpfen, Magie und opulenter Schlemmerei mit Weib, Wein und Gesang. Letztlich war es für uns mehr als das. Nach über zwei Monaten Marokko war das üppige Grün, die freundlich gewellten Hügel und das entspannt vor sich hin plätschernde Mittelmeer dieser lieblichen Region für uns wie eine Wiedergeburt. Und so fragten wir uns, als wir durch das entspannte Sète flanierten, was denn wohl die Herkunft dieser Bezeichnung sei. Zwei Vermutungen entsprangen unser beider Hirne: Ist es vielleicht eine richtungsweisende Aussage und kommt vom lateinischen occidens her („der Westen“, von occidere „untergehen“, sol occidens „die untergehende Sonne) mutmaßte der eine? Oder hatte man sich von der tonangebenden Farbe des Bodens hier (ocker, lateinisch ochra) leiten lassen, fachsimpelte die andere. Erstaunlicherweise stimmte keine dieser mehr als stichhaltig wirkenden Theorien. Die Grundlage für die Bezeichnung Okzitanien beruht auf der regionalen Sprache vor Ort, der Langue d’Oc. Das Wort oc wurde südlich der Loire für ja verwendet. Auf der nördlichen Seite der Sprachgrenze haben sich die Vorgänger des heutigen Französisch entwickelt: die Langues d’oïl. Aus dem altfranzösischen oïl wurde oui. Tatsächlich haben wir während unseres kurzen Aufenthalts aber kein einziges Mal ein oc verlauten hören und würden daher eine zeitgemäße Umbenennung in Ouizitanien anregen.
Es ist landläufig bekannt, dass die alten Römerstraßen von erstaunlicher Qualität und Langlebigkeit waren und, dass ein großer Teil unserer heutigen Verkehrswege immer noch den damals festgelgeten Routen folgt. So erstaunte es mich kaum, dass auch unser Radweg, der EuroVelo 8 auf einigen Abschnitten Teil einer ehemaligen Römerstraße war, und zwar der Via Domitia. Diese war die erste Römerstraße, welche in Gallien gebaut wurde, wahrscheinlich zwischen 122 und 118 v. Chr. Eine 777km lange Landverbindung von Italien nach Spanien, etliche Brücken nebst einer Alpenüberquerung am Col de Montgenèvre (1850 m) und dann natürlich noch über die Pyrenäen drüber. Und ja, ich wiederhole, die Bauzeit hierfür betrug ganze vier Jahre! Aber gut, es gab als damals noch diesen Cheat namens Sklavenarbeit. Diese älteste Straße Frankreichs war derart hochwertig, dass es sogar Hannibal ermöglichte mit Elefanten, den SUVs der Antike, nach Rom zu reisen. So richtig deutlich wird die Qualität der antiken Ingenieurskunst aber betrachtet man sich eine der Brücken wie zum Beispiel „Le Pont Julien“. Diese Römerbrücke ist derartstabil gebaut, dass der Autoverkehr noch bis 2005 darüber geleitet wurde. Seitdem darf sich die Pont Julien, durch den Bau einer Umgehungsstraße, etwas ausruhen. Und man halte kurz inne, nutze den Schieberegler um zu sinnieren wie stark im Laufe der Zeiten aus einer stattlichen Brücke eine schlichte Überbrückung wurde.
Immer wieder, wenn ich mich auf unserer Route von Sète bis Trieste mit den aufreizend beeindruckenden Städtchen, die einer Perlenkette gleich aufgefädelt an uns vorüberglitten, beschäftigte, tauchte in deren Geschichte ein Name auf: Die Sarazenen. Nun war mir dieser Begriff nicht völlig unbekannt. Ich verortete ihn irgendwo im Mittelalter und im Islam, es hatte auch irgendwas mit Piraterie zu tun, aber das war es eigentlich auch schon. Wenn diese Herren aber um das 10. Jahrhundert herum in sämtlichen Stadtannalen Südfrankreichs durch Plünderung und Brandschatzung auftauchen, lohnt es sich vielleicht einmal kurz nachzuprüfen, um was oder wen es sich bei den Sarazenen genau handelt. Der erste Satz von Tante Wikipedia ist zunächst ebenso schwammig wie dehnbar: „Der Begriff Sarazenen (von lateinisch sar[r]acenus; wahrscheinlich über arabisch شرقيو‚ Menschen des Ostens‘ in Bezug auf die Bewohner der arabischen Halbinsel, von arabisch شرقي) bezeichnet ursprünglich einen im Nordwesten der arabischen Halbinsel siedelnden Volksstamm. Infolge der islamischen Expansion wurde der Begriff in lateinischen Quellen und im christlichen Europa als Sammelbezeichnung für die islamisierten Völker verwendet, die ab etwa 700 n. Chr. den östlichen und südlichen Mittelmeerraum beherrschten, auch unter dem Eindruck der von ihnen ausgehenden Piraterie.“ Ich beginne zu begreifen, dass es dieser Begriff eine steile Karierre als Sammelbezeichnung für das Fremde an sich gemacht hatte. Als nämlich in Europa erstmals Gruppen der ursprünglich aus Indien stammenden Roma auftauchten und von der einheimischen Bevölkerung als Angehörige eines fremden, dunkelhäutigen und aus dem Osten stammenden Volkes wahrgenommen wurden, wurde neben anderen Bezeichnungen wie „Ägypter“, „Zigeuner“, „Heiden“ und „Tataren“ zuweilen auch die Bezeichnung „Sarazenen“ für Roma verwendet, so hauptsächlich in romanischen Sprachen, und unter deren Einfluss dann im 15. Jahrhundert vereinzelt auch im Deutschen. Interessant wäre hier natürlich auch noch die sprachlichen Spuren, die dieser Begriff in sämtlichen europäischen Sprachen hinterlassen hat. Es erinnert sich ja wohl noch der eine oder andere an einen gewissen Thilo Sarazzin, welcher mit seinen Thesen so manchem edlen Seeräuber, von dem er abstammen mag, die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Auch die im romanischen Raum gängige Bezeichnung für Buchweizen (frz. blé sarrasin, ital. grano saraceno, span. trigo sarraceno) ist hat einen gewissen Charme. Dass der Name primär im Sinne „Korn der Sarazenen“ (vgl. lat. frumenta sarracenorum, 1460) zu verstehen ist und hiermit auf die Herkunft aus einem fremden, heidnischen Volk hinweist, wird durch vergleichbare Bezeichnungen im Deutschen (mittelhochd. heidenkorn, südl. Österreich: Haid, Heid, Hoad und Heidensterz) und in ost- und nordeuropäischen Sprachen (böhm. tatarka oder pohánka von lat. paganus, slk. tatárka, pohánka, estn. tatar, finn. tattari) nahegelegt. Lediglich sekundär könnte der romanische Name dann zusätzlich auch durch die dunkle Farbe der Früchte des Buchweizens motiviert sein (vgl. frz. blé noir, ital. grano nero, deutsch Schwarzes Welschkorn).
Die Tendabahn war schon lange einer meiner ferrophilen Lebensträume. Eine Bahnstrecke wie aus den wirren Fieberträumen eines durchgedrehten Modelleisenbahners. Der Höhenunterschied beträgt mehr als 1000 Meter – diese Größenordnung wird innerhalb Europas nur noch von den Gebirgsstrecken der Rhätischen Bahn übertroffen. Die durchgehend eingleisige Verbindung ist knapp 100 Kilometer lang. Die maximale Steigung beträgt 25 ‰ bei einem minimalen Kurvenradius von 300 Metern. Diese Streckenparameter ermöglichen eine Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometer pro Stunde. Zwischen Bevera und Robilante werden 58 Prozent der Stammstrecke in Tunneln geführt. 46 Brücken und 83 Tunnel auf 99,4 km!
Von der Bedeutung her ist es eine Verbindung von Turin und Nizza, also zwischen dem reichen Norditalien und dem reichen Teil des Mittelmeers. Die eigentliche Strecke verläuft von Cuneo bis nach Ventemiglia und unterquert dabei den Hauptkamm der Seealpen (Seealpen? Auch noch nie gehört, aber dazu später!) unterhalb des Colle di Tenda in einem über acht Kilometer langen Tunnel. Südlich des Tunnels ist sie Bestandteil des erweiterten Bereiches um den französischen Nationalpark Mercantour. Bedingt durch die Lage des Gebiets an der Grenze zwischen Frankreich und Italien sowie verschiedener Kompromisse der beiden Staaten zog sich der Bau dieser Strecke 45 Jahre hin (1883-1928) und ist eine eigene Geschichte, die auf vorzügliche Weise bei eisenbahnreisen.de nachgelesen werden kann.
Bei den Seealpen, auch Meeralpen (französisch Alpes Maritimes, italienisch Alpi Marittime) genannt, handelt es sich um eine Gebirgsgruppe der südlichen Westalpen. Höchster Berg: Monte Argentera (3297m). „Nach der klassischen französisch-italienischen Einteilung (Partizione delle Alpi), werden die Ligurischen Alpen (Alpi liguri/Alpes ligures, dt. auch italienische Seealpen, ligurische Meeralpen) als Untergruppe zu den Seealpen mitgezählt. Nach der moderneren SOIUSA werden diese eigenständig gezählt, SZ 1 (Alpi Marittime i.s.a.), und als SZ 2 (Alpi Marittime e Prealpi di Nizza). Außerdem werden die Préalpes de Nice, Préalpes Niçoises/Prealpi di Nizza (‚Voralpen von Nizza‘) teils mitbehandelt, teils eigenständig erwähnt – sonst werden sie auch unter den Provenzalischen Voralpen mitbehandelt.“ Gut, wäre das also auch geklärt.
Irgendwo im Piemont oder in der Lombardei begegneten wir Rochus von Montpellier. Als ich seine Skulptur so betrachtete, vermutete ich, dass es sich hier vielleicht um den Schutzheiligen der Reisenden handeln könne. Leider war dem nicht so, er gilt vielmehr als der Patron gegen die Pest sowie der Siechenhäuser und der erkrankten Haustiere. Für die gesunden Haustiere ist der Heilige Franziskus zuständig. Auch recht sonderbar wie ich finde. Für die kranken Haustiere war sich der feine Herr wohl zu gut, oder was? Wie dem auch sei, selbstverständlich gehört im Zauberei- und Mythenbuisiness zu jeder Funktion auch eine hieb- und stichfeste Grundlage. Im Falle von Rochus lautet sie wie folgt: Als Rompilger im Jahr 1317 half er unterwegs bei der Pflege von Pestkranken. Diese soll er nur mit Hilfe des Kreuzzeichens wundersam geheilt haben. In Rom angekommen, heilte er weiter, ohne dass er zu Ansehen oder Reichtum kam. Auf seiner Rückreise (1322) erkrankte er in Piacenza selbst an der Pest und wurde von niemandem gepflegt; er betete und zog sich in eine einsame Holzhütte im Wald zurück. Dort wurde er der Legende nach von einem Engel gepflegt, und der Hund eines Junkers brachte ihm so lange Brot, bis er wieder genesen war und in die Stadt zurückgehen konnte, wo er weiterhin heilte, bis er dort die Pest besiegt hatte. Als er wieder in seine Heimatstadt kam, erkannte ihn niemand aufgrund seiner Narben und Verunstaltungen durch die Pesterkrankung. So wurde er unter dem Verdacht der Spionage ins Gefängnis geworfen. Natürlich dankte er Gott für diese Prüfung und brachte geduldig fünf Jahre im Gefängnis zu, bis er starb. Nach seinem Tod identifizierte man ihn anhand eines kreuzförmigen Mals, das er seit seiner Geburt auf der Brust hatte. Wegen der Sache mit dem hündischen Lieferdienst gehört neben Stab, Tasche, Flasche, Dose, Schwert auch ein Hund zu den Attributen des Heiligen. In dem von uns dokumentierten Fall ist jedoch kein Hund auszumachen, stattdessen haben offenbar Tauben diesen Dienst übernommen.
Es war einer dieser Momente in denen man das Gewohnte betrachtet und innerlich spürt, dass irgendwas an dem Bild nicht stimmt. So geschehen als wir endlich das vielgerühmte Padova erreichten und ich gemeinsam mit einer Straßenbahn auf Grün wartete. Schnell erkannte ich was hier fehlte: Eine Schiene sowie die Oberleitung. Das ließ mich zaudern ob es sich hier überhaupt noch um eine Straßenbahn handelte. Anderseits, es war eine Bahn die auf Straßen fuhr. Was brauchte es mehr um sich als Straßenbahn zu fühlen. Blieben nur noch einige Fragen zum technischen Verständnis. Warum kippte sie nicht um und was trieb sie überhaupt an? Ich ermittelte das französische Unternehmen Translohr als Strippenzieher für diese Art von Straßenbahnen.
Es handelt sich um eine sogenannte „Tramway sur pneumatiques“ oder kurz „Tramway sur pneus“ ist die französische Bezeichnung für ein Nahverkehrssystem, das sich als ein Zwitter aus Straßenbahn und Oberleitungsbus beschreiben lässt. Denn neben den offensichtlichen Unterschieden zu einer herkömmlichen Straßenbahn kommt noch hinzu, dass diese sonderbaren Modelle auf Luftreifen fahren. Die wie gewohnt, sperrige deutsche Entsprechung lautet Straßenbahn auf Luftreifen oder luftbereifte Straßenbahn, in der Schweiz hat man sich ebenso gewohnt auf einen etwas kompakteren Begriff geeinigt: Pneu-Tram. Andererseits pressiert eine deutsche Bezeichnung auch nicht sonderlich (ich wäre ja für Luftibus) da ein solches System im deutschen Sprachraum weder existent noch im Bau oder geplant ist. Tramways sur pneus gibt es bisher in Frankreich, Italien, China und Kolumbien. Doch das erklärt alles noch nicht, warum sie nicht umkippen und mit welcher Energie sie sich überhaupt fortbewegen. Des Rätsels Lösung kurz erklärt: Die Bahn wird durch eine Mittelschiene spurgeführt, die Wagen sind dabei nicht frei lenkbar. Die Spurführung erfolgt durch zwei schräggestellte Räder mit je einem Spurkranz, die in einem Winkel von 90 Grad zueinander stehen und seitlich in die Führungsschiene eingreifen. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 70 Kilometer in der Stunde. Die Fahrzeuge fahren mit 750 Volt Gleichstrom unter einer einpoligen Oberleitung und besitzen je einen Einholmstromabnehmer, der Rückstrom fließt über die Führungsschiene. Wer nicht mehr genau weiß was ein Einholmstromabnehmer ist, sollte das Proseminar in Tramatik unbedingt wiederholen.
Wie alle zuvor genossenen, norditalienische Städte hatte auch Padova ein prächtiges Angebot an so sehens- wie bemerkenswerten Sachen im Angebot. Doch in diesem Falle winkte ich nur ab und ging zielgerichtet auf den Orto Botanico zu, den ältesten Botanischen Garten der Welt. Dieser, 1545 von der Republik Venedig angelegte Heilpflanzengarten atmet die Art von Geschichte aus, bei der ich mich am besten entspannen kann. Das kreisförmige und von einem Wasserring umgebene zentrale Gelände blieb weitgehend unverändert erhalten und wurde 1997 in die Liste der UNESCO-Welterbe aufgenommen. Die frühe Etablierung dieses Universitätsgartens gebar ein Kompetenzzentrum in Padova, welche in den folgenden Jahrhunderten die Hauptrolle bei der Einführung und dem Studium von exotischen Pflanze spielte. Schon sieben Jahre nach der Gründung des Gartens verfügte man hier über 1500 Pflanzenarten. 1565 wurde hier erstmals in Europa Flieder gezüchtet, 1568 erstmals in Europa Sonnenblumen. Auch die erste Kartoffel in Europa wurde hier gezüchtet.
Aber das alles war noch längst nicht genug. Schließlich erfuhr ich hier noch was Goethe auf die Palme brachte. Als ich tief versunken durch jenen Garten schlenderte, fiel mein Blick wie von allein auf einen auffälligen Glaspalast in dem offensichtlich eine Palme gedieh. Es handelte sich um die älteste Pflanze des Gartens eine Zwergpalme (Chamaerops humilis var. arborescens), die 1585 gepflanzt wurde und „Goethe-Palme“ genannt wird, weil Johann Wolfgang von Goethe sie in seiner „Geschichte meines botanischen Studiums“ 1817/1831 erwähnte; diese Palme befindet sich in bester Gesellschaft, denn hier steht der europäische Hochadel in Sachen Gewächsen herum. Ein 19 Meter hoher Ginkgo von 1750 und eine Magnolie aus der Mitte des 17. Jahrhunderts befinden sich hier und gelten als die ältesten Exemplare dieser Arten in Europa.
Eine fast 450 Jahre alte Palme? Ich gestehe, dass ich Palmen gegenüber nicht das warmherzige Gefühl aufbringen kann wie es bei Bäumen der Fall ist. Dementsprechend vermutete ich auch, dass sich ihre Lebenserwartung keineswegs mit der erstaunlichen Langstrecke ihrer Pflanzen-Cousins messen könne. Nun denn, weit gefehlt und wieder was gelernt. Das war es aber nicht was das Universalgenie aus Frankfurt hier lernte. Er entnahm hieraus den Gedanken und die Beweise für seine „Metamorphose der Pflanzen“. Als er dort jene Palme betrachtete, wurde in ihm der Gedanke immer lebendiger, „das sich alle Pflanzengestalten vielleicht aus einer entwickeln könnten“. De Idee mit der Urpflanze war geboren, eine Idee, der ich vor knapp zwei Jahren schon mal begegnete, als ich, genau wie Goethe ein paar Jahrhunderte zuvor auch durch den Botanischen Garten Palermos stromerte.
Und wenn wir schon bei der „Urpflanze“ sind, was läge da näher als solch putzigen Urtierchen wie Grottenolmen etwas Öffentlichkeit zu schenken. Der Grottenolm (Proteus anguinus) ist ein dauernd in Larvenform in Höhlengewässern lebender europäischer Schwanzlurch. Er lebt ausschließlich im dinarischen Karst, im Kalkgebirge östlich der Adria, wo wir letztlich auch seine Bekanntschaft machten. In den Höhlen von Postojna befinden sich die zweitgrößten bekannten und für Touristen erschlossenen Tropfsteinhöhlen der Welt (nach der Jeita-Grotte im Libanon). Das lässt vermuten, dass das kleine Slowenien möglicherweise nur in der Draufsicht so klein ist, unterirdisch aber ein ganz anderes Kaliber. Ich erfuhr bei der mehrstündigen Führung durch die Höhlen so einiges über die, mir zuvor nur aus Walter Moers Zamonien bekannten Grottenolme. Es beeindruckte mich einiges an den nahezu transparent wirkenden, zarten Geschöpfen. So, dass sie zwar mit Augen geboren würden, aber diese im Laufe ihres Lebens zurückbilden und somit erblinden würden. Mit Schrecken vernahm ich außerdem, dass der Grottenolm zu den Lebewesen gehörte, die die längste Spanne ohne Nahrung überstehen würden, und zwar fürchterliche zehn Jahre. Da war es für mich auch kein Trost, dass diese Geschöpfe bis zu 100 Jahre alt werden können. Zartgliedrig im Dunklen, blind und hungrig – wer will denn da so alt werden?
Die Totenkopfsymbolik in der christlichen Welt hatte mich schon immer stark irritiert und zudem kann ich das Gefühl nicht abschütteln, ihr im balkanisch-katholischen Raum häufiger zu begegnen. Grund genug, mal nachzuforschen, was das eigentlich soll. Prinzipiell steht der Totenkopf zunächst einmal für die Vergänglichkeit menschlichen Lebens. Im speziellen Zusammenhang mit Jesus, welcher hier oftmals über dem Totenkopf hängt, soll symbolisiert werden, dass jener den Tod überwunden hat. Dementsprechend hat die Präsenz dieser Statuen insbesondere auf Friedhöfen schon eine leicht höhnische Note, aber das mag Ansichtssache sein, bzw. Geschmackssache, meiner ist es nicht.