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- Der italienischen Reise zweiter Teil
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Unsere, an Reizen nicht gerade arme Reise durch das zauberhafte Andalusien, nahm mit einem markanten Paukenschlag ihren Anfang. Schon oft auf dieser Reise durch die römisch-katholischen Provinzen hatte ich um möglichst abgedrehte, durchgeknallte Folklore gebeten. Hier an der Peripherie des vatikanischen Spinnennetzes wurden meine Gebete endlich erhört. Eben jener Vatikan beäugt die orgiastisch anmutenden Festivitäten hier in Andalusien schon länger skeptisch. Neben der Semana Santa in Sevilla gehört auch die alljährlich an Pfingsten stattfindenden Exzesse von El Rocío, die sich um eine gewisse „Unsere Liebe Frau vom Morgentau“ drehen, zu den aus kanonischer Sicht eher unliebsamen Feierlichkeiten. El Rocío ist ein verschlafenes Nest mit ein paar hundert Einwohnern am Rande des größten Vogelschutzgebiets Europas, welches aufgrund seiner, im Wildwest-Stil gehaltenen Gebäude und dem durchgängigen ungepflasterten, sondern sandigen Straßen einen ganz eigenen,auf jeden Fall besuchenswerten Charme hat. Nur einmal im Jahr, zu Pfingsten, pilgern hier über 100 Bruderschaften, knapp eine Million Menschen her um einer Madonna ihre Aufwartung zu machen. So wird das Dorf für kurze Zeit zur drittgrößten Stadt Spaniens mit der höchsten Pferdedichte Europas. Die „weiße Taube“ (paloma blanca ) wie sie volkstümlich heißt, wurde selbstverständlich im 13. Jahrhundert von einem Jäger in der Umgebung des Dorfes gefunden und führte zu jener Massenveranstaltung, die der Reiseführer leicht pikiert als „eine Mischung aus religiöser Inbrunst und sherryseligem Jahrmarkt“ bezeichnet.
Neben dem offiziellen Stadtwappen sieht man in Sevilla an allen denkbaren Stellen wie Gullydeckeln, Bushaltestellen, Mülltonnen etc. einen sonderbaren Schriftzug. „NO 8 DO“, wobei die „8“ wie ein Knäuel aussieht. Die Geschichte darum ist kurz erzählz, denn zur Abwechslung gibt es mal nicht ein halbe Dutzend Theorien zur Erklärung. Es handelt sich bei der „8“ um ein Wollknäuel, was auf spanisch „madeja“ heißt. Wenn man das Stadtemblem nun liest, entsteht der Text „No-madeja-do“ (No me ha dejado) was in etwa so viel bedeutet wie „Sie hat mich nicht verlassen.“ Dieser Ausspruch geht auf Alfons X. zurück, der nach seiner Entthronung in Sevilla im Exil leben durfte. Mit der Stadtflagge und dem Ausspruch darauf wird die Treue zu sich und der Stadt symbolisiert – etwas auf das jeder Svilliano stolz ist.
Es war in Sevilla, ich lustwandelte muttermarienallein durch das Hospital de los Venerables, eine durchaus sehenswerte, ehemalige Anstalt für pflegebedürftige Priester, welches sich nur wenige Meter entfernt von einer der Hauptattraktionen der Stadt (->Alcazar). Während sich also unweit von mir die Touristen aus aller Herren Länder gegenseitig in den Hacken standen, vertiefte ich mich hier in ohrenbetäubender Stille in ein paar Malereien, die mir die sinneszerstäubende Innovation der Perspektive in der Malerei näherbrachten. Tatsächlich bin ich ähnlich wie bei Musik nur ein sehr interessierter Laie, dennoch fühlte ich gleichsam ein Licht aufstrahlen, als in der Sammlung das erste Gemälde von Velasquez meinen Blick kreuzte. Der qualitative Unterschied zu seinen, neben ihm ausgestellten Zeitgenossen ist mehr als offensichtlich. Einerseits begegnet man hier einer naturalistischen Darstellung von Menschen (Velasquez war nicht ohne Grund einer der bestbezahlten Portraitmaler seiner Zeit!) andererseits aber, und das haute mich viel mehr um, ist die Entdeckung der Perspektive, die Weitung des Raums mit den Mitteln der Zweidimensionalität.
Es ist einer dieser laut zu Boden fallenden Groschen bei der zähen Weiterentwicklung des Menschen und ich konnte mich nicht daran satt sehen, erfreute mich an diesem Fest der Erkenntnis. Natürlich hatten schon frühe Künstler gewusst, dass Dinge kleiner wurden umso weiter sie weg waren, doch sie hatten halt keine mathematische Theorie dahinter (Stichwort: Fluchtpunkte) und mussten daher raten wie es aussehen würde. Das erzeugte lange Zeit eher gemischte Resultate. Erst im 15. Jahrhundert kam man drauf und konnte lange Zeit nicht aufhören, diese Innovation zu zelebrieren. Ähnlich der Phase als die Menschheit „Raytracing“ erfand und wir alle mit Millionen Bilder spiegelnder Chromkugeln, die über Schachbrettfliesen schweben, malträtiert wurden, galt es auch in dieser Episode, den Betrachter mit makelloser Dreidimensionalität zuzuballern. Beispielsweise war Senor Valdés Leal ein großer von Engeln und Kreuzen, was er aber eigentlich sagen will ist: „Alter, mein Fluchtpunkt ist abgefahren, ernsthaft, schau dir meine Treppengirlanden an, du hast ja keine Ahnung.“
Das erste der drei Gemälde ist nicht von Velasquez, sondern von einem lokalen Künstler namens Valdés Leal. Es handelte sich um ein Deckengemälde und so empfahl mir der Audioguide mich auf den Rücken zu legen um es besser zu betrachten. Wer wäre ich, mich einem Audioguide zu widersetzen?! Und so lag ich und tauchte ein. Wenig später entdeckte ich die beiden Werke von Velasquez und war für diesen Tag erstmal erledigt.
Bei einem dieser Gemälde (Sagrada Familia von Bartolomeo Cavarozi, 1620) ließ der sonor vor sich hin schnurrende Audioguide einen Fakt fallen, der mich kalt erwischte: Johannes der Täufer wäre ein Cousin von Jesus. Das war mir neu. Allzeit interessiert mein Fantasyrepertoire zu vervollständigen, überprüfte ich das kurz, und tatsächlich: Auf dem wie immer ausgewogen informierenden Portal gutenachrichten.de erfuhr ich in der Rubrik „Jesus und seine Verwandten“, dass Maria per Engel nicht allein über die ihre bevorstehende Niederkunft informiert wird, nein es wird auch eine Schwangerschaft in der Verwandtschaft erwähnt: „Siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter.“ (Lukas 1, Vers 36) Und dieser Sohn war eben Johannes der Täufer. Zwar wird über das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Maria und Elisabeth keine nähere Auskunft gegeben, aber anscheinend waren sie Cousinen. Demnach wären Jesus und Johannes Cousins zweiten Grades (?) gewesen.
Und wenn wir schon mal bei der lieben Verwandtschaft sind, dann lasst uns gemeinsam über eine etwas problematischere Geschichte sprechen, die mir hier auffiel (ja, es war wohl etwas viel Katholizismus die letzten Monate…). Ich weiß wirklich nicht mehr genau, wann mir Anna, die Oma von Jesus vorgestellt wurde, aber auf jeden Fall erfuhr ich relativ zeitnah, dass auch sie Maria mittels dieses unschlagbaren Jokers namens unbefleckte Empfängnis auf die Welt brachte. War ich angesichts dieser Neuigkeit anfangs etwas enttäuscht, dass man diesen Trick einfach so kopierte, ganz schlechter Stil in meinen Augen, wurde ich bei längeren Nachdenken hellhörig. Wenn, so kombinierte ich, in beiden Fällen ein gewisser „heiliger Geist“ für die Befruchtung zuständig war, hieße das dann nicht, dass Maria mit ihrem Vater ein Kind bekommt, für Jesus demnach Gott nicht nur Vater, sondern auch Großvater ist. Sprich, handelt es sich hier nicht um einen astreinen Fall von Inzest? Ich meine, natürlich gehören derlei „Familiengeschichten“ zu jeder halbwegs prominenten Götter- und Mythenerzählung und speziell der erste Band des Christenbestsellers ist ja voll von vergleichbaren Tabubrüchen im Namen der guten Sache, aber mir war speziell dieses pikante Verwandtschaftsverhältnis beiher nicht klar. Ach, übrigens, nur mal so nebenbei: Diese Idee von der unbefleckten Empfängnis ist erst seit 1854 offizielles Dogma der römisch-katholischen Kirche. Von wegen finsteres Mittelalter und so…
Beim interessierten Lustwandeln durch Andalusien stolperte man immer wieder über ein paar ungewohnte Begrifflichkeiten. Als da wären: Mudéjaren, Sepharden, Moriscos, Mozaraber. Grob wusste ich natürlich, dass es sich jeweils immer um eine bestimmte, im weitesten Sinne durch Raum und Religion begrenzte Bevölkerungsgruppe in Al-Andalus handelte. Nur welche? Dafür brauchte es solide Eselsbrücken. Über die Mozaraber hatte ich mich ja schon im letzten Wissenssplitter ausgelassen, bei ihnen handelte es sich um Christen, die unter islamischer Verwaltung stehend, sich dabei weitestgehend arabisiert hatten. Natürlich musste es aber im Schmelztiegel Iberiens noch mindestens zwei weitere Gruppen geben. Die der Muslime unter christlicher Verwaltung und die der Juden unter den beiden staatstragenden Religionen. Wenden wir zunächst unsere Aufmerksamkeit auf unsere muselmanischen Freunde: Da hätten wir uns mit dem verwirrenden Umstand anzufreunden, dass zwei der oben aufgezählten Wörter muslimische Völkerschaft auf christlichen Herrschaftsgebiet betreffen: Mudéjaren sowie Moriscos. Wenn man die ganze Sache wirklich verstehen will, muss man der Vollständigkeit halber natürlich auch noch die Mauren hinzunehmen. Also. Versuchen wir es mal so: Die Mauren können als eine Art Oberbegriff oder Grundlage für die beiden folgenden Begriffe gelten. Zwar begegnen wir hier einem, in seiner Herkunft und Deutung sehr weit dehnbaren Wort, aber im Zusammenhang mit Al-Andalus kann man sich vielleicht darauf einigen, dass die von Afrika herüberkommenden Muslime zum größten Teil Berber waren, die landläufig mit dieser Bezeichnung gemeint sind. Die Mudejaren (von arabisch مدجّن ‚dienstbar gemacht‘) waren dann Muslime, die im Gefolge der wechselhaften Geschichte zeitweilig oder dauerhaft in einem nicht-islamischen Land lebten. Es handelte sich hierbei um bedeutende Minderheiten, die zwar stets den verschiedensten Formen der Diskriminierung ausgesetzt waren, übten aber dennoch einen entscheidenden Einfluss, speziell auf die Baukunst aus. Im wesentlichen war es die übriggebliebenen Resultate dieses Mudéjarstils, welchen wir in den letzten Wochen hier ununterbrochen bestaunten. Es ist jene elegante Mischung aus den Materialien (Ziegelstein), Bauformen und dem Dekor der islamischen Architektur (Hufeisenbogen, Stalaktitgewölbe, Mauresken – dabei handelt es sich zur Abwechslung mal nicht um eine Bevölkerungsgruppe!) mit dem Stilrepertoire der Romanik, Gotik oder Renaissance.
Der Begriff Morisco ist so naheliegend wie selbsterklärend: Nach dem Fall von Granada (1492) endete die Ära muslimischer Staatlichkeit auf dem europäischen Kontinent und die Lage der verbliebenen Menschen muslimischen Glaubens verschlechterte sich instantan. Viele Mudéjares konvertierten infolgedessen zum Christentum und wurden sodann als Moriscos, „kleine Mauren“ bezeichnet. Und auch wenn sie in der darauffolgenden Zeit von der Inquisition bedrängt, unterdrückt und umgesiedelt wurden, blieben sie dennoch mehr als ein Jahrhundert unauffällige Untertanen im katholischen Spanien. 1609 war es dann aber auch damit vorbei und man deportierte mit einem Schlag ca. 300.000 Moriscos und leitete damit erfolgreich den Verfall und die Rückständigkeit Südspaniens für die kommenden Jahrhunderte ein.
Soweit ich es überblicke, können wir uns derlei Begriffsslalom für die Juden ersparen. Die einzige Sache, die hier noch kurz geklärt gehört, wäre diese Sache mit den Sepharden. Dieser Begriff für die spanischstämmigen Juden, welcher im übrigen, wenig spektakulär auf das hebräische Wort für Spanien (Sfarád) zurückgeht, scheint so richtig erst mit der Vertreibung der Juden aus Spanien an Bedeutung gewonnen zu haben. Ansonsten gäbe es zwar einiges zu erzählen zu jenem als „goldenes Zeitalter“ bezeichneten Ära der Juden in Iberien, doch das lassen wir an dieser Stelle vorerst mal besser.
Eine weitere relevante Gruppe in Andalusien taucht wie immer kaum auf in all den schwärmerischen Annalen und touristisch verwertbaren Anpreisungen des guten, alten Al-Andalus, und zwar die der Gitanos. Denn, wenn man sich die verzückten Berichte der Zeitzeugen über die langen Nächte unter dem milden andalusischen Himmel zu Gemüte führt, über die ausschweifenden Orgien voll von Wein, Weib, Philosophie, Poesie, Tanz und Gesang – dann weiß ich doch wohin man am Vorabend selbiger Nächte ging, um diejenigen zu engagieren, welche unerlässlich waren für eben jene legendäre Stimmung dieser Nächte, die aber in den meisten Annalen nicht mal als Fußnote erwähnt werden.
Und so verwundert es auch nur geringfügig zu erfahren, dass ein anderer elementarer Bestandteil Andalusien, det Flamenco, eine lupenreine und alleinige Kreation der Gitanos war. Verwundert hat mich hier letztlich nur eine Sache, und zwar wie jung dieser Tanz ist. Erst 1883 öffnete in Sevilla die erste Flamenco-Bar, wobei das natürlich auch nichts mehr aussagt, als das dieser Tanz begann salonfähig zu werden. Auch über die Wortherkunft war ich ein wenig enttäuscht, hatte ich doch immer vermutet, dass es irgendetwas mit Flamingos zu tun haben müsse. Zwar gibt es ein paar einsame Stimmen, die völlig zu recht darauf verweisen, dass nicht nur die Existenz großer Flamingo-Kolonien in Südspanien, sondern auch einige Verhaltensweisen der Tiere, welche an typische Bewegungsmuster im Flamencotanz, wie das „Auftreten in Gruppen und ihre eher krächzend als melodisch empfundenen Laute“ erinnern, doch möglicherweise ein Hinweis auf die Wortherkunft sein könnten. Aber nein, mal wieder hat man sich die eindeutig langweiligere Version geeinigt. Irgendwas mit Flandern.
Der Johannisbrotbaum spielte auf unserer letzten Reise ja eine bedeutende Rolle. Wir kannten ihn zu or überhaupt nicht und lernten sehr schnell seine Früchte als kompakten, gut transportablen Snack für zwischendurch kennen. Auch auf dieser Reise sahen wir schon etliche der hochgeschätzten Bäume, doch irgendwie scheinen wir die Erntephase immer gekonnt umradelt haben. Dennoch wurde unlängst unser Wissen über den Johannisbrotbaum während einer wunderschönen Wanderung durch den Naturfreund Manuel maßgeblich erweitert. Wir erfuhren hier nämlich, dass die Maßeinheit Karat auf den verehrten Snacklieferanten zurückgeht. Schon die alten Griechen verwendeten die Samen als kleinste Gewichtseinheit für Apotheker und Juweliere. Die Kerne weisen unabhängig von Form und Grösse ein konstantes Gewicht von 0,2 Gramm auf. Von der Verwendung in der Schmuckherstellung stammt der noch heute übliche Begriff Karat. Sehr unnützes Partywissen wäre nun ob eines der Bandmitglieder von Karat jemals in Kontakt mit einem Johannisbrotbaumsamen geriet.
Und zum Abschluss noch kurz zwei weitere wichtige Begriffe für das erfolgreiche Lustwandeln in Andalusien: Was war nochmal der Unterschied zwischen einem Alcazar und einer Alcazaba ? Es ist ein hauchdünner Unterschied im Bereich der maurischen Bergspitzenbebauung. Ersteres ist eher in der Oberklasse, Kategorie Alhambra, anzusiedeln, während es sich bei einer Alcazaba eher um etwas schlichteres, einfacheres handelt. Kategorie Bollwerk, natürlich trotzdem bis zur Oberkante mit Arabesken verschnörkelt.
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